Trainingslehre: damals und heute

Noch 112 Tage bis Rainer Ziplinsky, Gründer von ZIPPEL’S Läuferwelt noch einmal einen Marathon laufen will. Und das mit 70 Jahren! Er hat sich hohe Ziele gesetzt und ist fest entschlossen, die 42,195 Kilometer in unter 3:30 Stunden zu schaffen. In diesem Blog berichtet er über seine Vorbereitung, seine Ziele und von den Höhen und Tiefen, dass das Lauftraining mit sich bringt.

Am letzten Freitag ging das Jahr 2021 zu Ende. Leider hat sich die Pandemie Situation vom letzten Jahreswechsel bis heute nicht wesentlich verbessert, sodass wir weiterhin mit Einschränkungen unseres täglichen Lebens zurechtkommen müssen. Auch die Hoffnung auf die Durchführung der vielen schönen Laufveranstaltungen ist zu diesem Zeitpunkt ungewiss. Trotzdem wünsche ich allen Leserinnen und Lesern meines Blogs ein gesundes, erfülltes und erfolgreiches Jahr 2022.

Ich persönlich bereite mich weiter auf den Hamburg Marathon vor, in dem festen Glauben, dass er stattfinden wird. Am 31. Dezember bin ich wieder nach Teneriffa geflogen, um dort einige Trainingswochen zu absolvieren. Mein Wunsch ist, dort bei angenehmeren Temperaturen als bei uns trainieren zu können. Dafür muss ich aber leider in Kauf nehmen, dass es für mich nicht so viele geeignete Laufstrecken wie in Kiel gibt. Wenn ich in der Lage wäre, Höhenunterschiede von einigen Hundert Metern laufend problemlos zu bewältigen, würde sich die Anzahl schöner Laufstrecken allerdings deutlich erhöhen. Teneriffa gilt als Wandereldorado. Zu Beginn meiner Besuche auf der Insel dachte ich noch, die Wanderstrecken laufend zurücklegen zu können. Aber ich musste mich eines Besseren belehren lassen. So laufe ich überwiegend auf ausgewählten flachen Kursen, meine Lieblingsstrecke beträgt „nur“ 650 Meter in eine Richtung!

In meinem letzten Blogbeitrag schrieb ich von fehlender Frische und nicht ausreichender Erholung. Um sicherzugehen, dass kein medizinischer Grund dafür verantwortlich ist, wurde mir Blut entnommen. Glücklicherweise sind alle Werte ausgezeichnet. Allenfalls die Menge an Körperflüssigkeit könnte größer sein, d.h. ich muss also doch mehr trinken. Der Eisenwert ist, entgegen meiner Vermutung, sogar optimal. Nun ist guter Rat teuer und ich muss sehen, wie ich wieder ein besseres Laufgefühl bekomme. Die ersten beiden Läufe auf Teneriffa machen mir auf jeden Fall Hoffnung. Ich fühlte mich schon deutlich besser als bei den letzten Trainingsläufen in Kiel. Ich spürte wieder das angenehme Gefühl der Leistungsreserve. Aber so ist das Laufen, wenn man sich Leistungsziele gesetzt hat. Man geht durch Höhen und Tiefen, hat häufig keine Erklärung für den aktuellen Trainingsstand. Wie ich schon einige Male schrieb, fehlen seit Monaten Laufwettbewerbe zur Bestimmung der aktuellen Form. Nun trainiert und trainiert man und hat eigentlich keine echte Möglichkeit einer Leistungsüberprüfung. Man befindet sich wie im Blindflug. Ich habe mich in den letzten Tagen noch einmal intensiv mit meinen zwei Lieblingsbüchern bezüglich Trainingsmethodik auseinandergesetzt. Zum einen ist es das Buch "Marathon-Training", 15. Auflage von 2001 von Manfred Steffny und zum anderen handelt es sich um das Buch "Modernes Training weltbester Mittel- und Langstreckler" von Toni Nett aus dem Jahr 1966. Dieses Buch habe ich von meiner Mutter 1968 geschenkt bekommen und es war für mich die Bibel. Ich habe es immer und immer wieder gelesen und mich intensiv mit den damaligen Trainingsmethoden auseinandergesetzt. Da ich selbst eine Art laufendes Fossil bin und bei der Trainingslehre ein wenig in der Vergangenheit lebe, ist es für mich auf eine gewisse Art aber immer noch aktuell. Und wenn man zum Beispiel die damaligen Bestleistungen von dem Lübecker Lutz Philipp aus den Sechzigerjahren betrachtet, wären seine Leistungen auch heute noch deutsche Spitzenklasse. Er lief die 3000 m in 8:00 Minuten, die 5000 m in 13:47 Minuten und die 10.000 m in 28:35 Minuten. Klar, die Weltrekorde sind aufgrund neuester Erkenntnisse noch einmal explodiert. Aber die heutigen Weltklasseläufer sind allesamt Profisportler, ein Lutz Philipp war Amateursportler, der für seinen Lebensunterhalt arbeiten musste. Also irgendwie mit der heutigen großen Läuferschar vergleichbar. Und heute, sechzig Jahre später, benutzen wir Laufuhren, die unsere Belastung steuern können und ein herzfrequenzgesteuertes Training ermöglichen. Weiterhin haben wir bessere Laufschuhe und sonstiges Material, wir nehmen spezielle Energieriegel und Gels zur vermeintlichen Leistungssteigerung ein und sind dennoch leistungsschwächer als die Läufer der damaligen Zeit. Und da soll mir ein Buch von 1966 nicht hilfreich sein? Ich habe mich schon häufig gefragt, warum waren auch die damaligen regionalen Läufer meist schneller und leistungsstärker als die heutigen Läufer aus der Neuzeit. Wer früher in der Landesbestenliste über 10.000 Meter aufgeführt werden wollte, musste mindestens eine 31:30 laufen. Wie viele Läufer in Schleswig-Holstein sind dazu heute noch in der Lage? 

 

Meine Erklärung ist früher wurde wohl umfangreicher trainiert und es gab mehr Trainer mit Fachwissen, die die Läufer betreuten. Zum Teil haben Läufer heute nicht mal einen Trainer, sondern holen sich ihr Wissen aus dem Internet. Vielleicht sind auch die sportlichen Entwicklungen über viele Jahre dafür verantwortlich: Ich meine damit, früher begann der klassische Läufer seine Karriere mit kürzeren Bahnläufen und wechselte dann über einen mehrjährigen Zeitraum zu längeren Distanzen hin bis zum Marathon. Heute kaufen sich manche im Frühjahr die ersten Laufschuhe und haben sich schon für den Berlin-Marathon angemeldet. Das ist meines Erachtens einfach zu früh und gibt einer läuferischen Entwicklung keine Chance. Früher war sicher nicht alles besser, aber die von mir in meiner Jugend erlernten Trainingsmethoden haben für mich immer noch Bestand. So ist mein Ziel weiterhin, möglichst häufige Trainingseinheiten mit etwa 80-100 Wochenkilometern zu absolvieren.

 

Wochenkilometer: 65,5 km

Kilometer insgesamt: 1.944 km

Auf Instagram und Strava könnt ihr noch mehr über meine Marathonvorbereitung erfahren.

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